Einleitung
Der S&P 500 Index stieg seit dem Tief der letzten Wirtschaftskrise vier Mal kräftig. Damit einhergehend kam eine Welle an Aktienrückkaufprogrammen. Das lässt diese Unternehmungen von Firmen aus verschiedenen Perspektiven erscheinen; manche glauben, Aktienrückkaufprogramme sind eine Manipulation des Marktes. Wieder andere behaupten, sie seien eine Methode von Top-Vorständen um daraus Profit zu ziehen. Wieder andere warnen, dass dadurch eine Schuldenblase entsteht.
Was ist also die wahre Geschichte hinter den Aktienrückkäufen? Was können wir daraus lernen, als Investoren und Trader?
Was sind und warum gibt es Aktienrückkäufe?
Ein Aktienrückkauf ist ein Geschäft, bei dem ein Unternehmen am Markt seine eigenen Aktien (zurück-)einkauft. Warum würde eine Firma das machen wollen? Es gibt eine Reihe an Gründen. Der erste ist einfach, dass ein Aktienrückkaufprogramm meistens mit einem Anstieg des Aktienkurses verbunden ist. Warum? Weil der Gewinn pro verbleibender Aktie steigt, desto weniger Aktien auf dem Markt sind. Genauer gesagt: Wenn ein Unternehmen die gleichen Gewinne und Dividenden auf weniger Aktien aufteilen muss, bleibt unterm Strich mehr für die einzelne Aktie.
In der Firma rentiert sich ein Aktienrückkaufprogramm vor allem für die Führungskräfte und deren Vergütung. Bei vielen Chefs hängt das Gehalt vom Erfolg der Firma ab – die Auszahlung erfolgt in Form von Aktien. Es besteht also ein großes Interesse jener, den Aktienkurs zu erhöhen. Auch werden künftig eigenkapitalbasierte Finanzierungen einfacher, je höher der Aktienkurs ist.
Diese stellen neben weiteren die Hauptgründe für Firmen dar, einen Aktienrückkauf durchzuführen.
Das Big Picture
Aktienrückkäufe haben zugenommen und im Jahr 2018 ein Rekordhoch erreicht (insgesamt über 800 Mrd. $):
Quelle: Yardeni Research
Als Folge dessen hat die absolute Anzahl der Aktien im S&P 500 abgenommen:
Quelle: Yardeni Research
Und wie sich herausstellt, korrelieren die Rückkäufe sehr gut mit dem Kursverlauf des S&P 500:
Dieser Chart kann als starkes Argument gelesen werden. Man könnte zum Beispiel sagen, dass die Rückkaufprogramme der Motor für die Kursrallye waren. Etwas weiter geführt könnte man dann behaupten, dass dies eine Marktmanipulation ist bzw. die Firmen ihre Gewinne pro Aktie exzessiv in die Höhe getrieben haben was zu einem Anstieg der Aktienpreise ohne vernünftigen Grund geführt hat. Vielleicht ist das alles nur eine Blase? Viele Interpretationsmöglichkeiten sind denkbar, wenn man impliziert, dass Korrelation gleich Kausalität ist. Diese Auslegung ist nämlich nicht unbedingt wahr. Der Logik folgend haben Firmen nämlich genau dann mehr Geld für Aktienrückkaufprogramme, wenn ihre Einnahmen steigen und das ermöglichen. Auch Trumps Steuerreform die seit 2018 gilt, hat den Unternehmen einen kräftigen Boost in ihren Gewinnen nach Steuer gegeben, denn die Unternehmenssteuer fiel von 35% auf 21%.
Wenn Aktienrückkaufprogramme tatsächlich hauptverantwortlich für den Kursanstieg wären, dann sollten die angestiegenen Aktienrückkäufe (2018, gleich nach der Steuersenkung) von einem überdurchschnittlichem Anstieg der Aktien begleitet worden sein, insbesondere bei den Firmen die am meisten zurückgekauft haben – oder? Werfen wir einmal einen Blick auf den Chart des S&P 500 Buyback Index sowie den normalen S&P 500 seit 2018. Der S&P 500 Buyback Index enthält diejenigen Unternehmen, die im Verhältnis zu ihrer Marktkapitalisierung am meisten Aktien zurückgekauft haben.
Quelle: YCharts
Wie wir sehen hat der Buyback-Index seit 2018 sogar um 3% schlechter abgeschnitten als die Benchmark. Das spricht nicht dafür, dass Aktienrückkäufe der Kurstreiber im S&P 500 waren. Man kann nicht sagen, dass diese nicht zum Kursanstieg beigetragen hätten, der angenommene Effekt scheint aber überbewertet.
Davon ausgehend wollen wir uns einmal zwei weitere, beliebte Glaubenssätze über Aktienrückkäufe ansehen und uns zwei interessante Erklärungen dafür ansehen.
1. Populäre Annahmen
1a. Aktienrückkäufe sind meist schuldenfinanziert und führen zum Platzen einer Schuldenblase.
Eine gängige Annahme ist, dass weil Aktienrückkäufe meist schuldenfinanziert sind und Unternehmensverschuldungen ein Rekordhoch erreicht haben, dies zu einer Blase führt die platzen wird. Sehen wir uns erst einmal den ersten Teil der Annahme an, Rückkäufe seien schuldenfinanziert. In der Statistik sind Firmen aus dem Finanzsektor ausgeschlossen, da deren Verschuldung oft um ein vielfaches höher ist – dies aber mit dem Geschäftsmodell zusammenhängt und nicht unbedingt eine finanzielle Not besteht.
Quelle: Moody’s Analytics
In dem oben abgebildeten Chart sehen wir die Nettoverschuldung, im Vergleich zu den Aktienrückkäufen von Firmen, die außerhalb des Finanzsektors angesiedelt sind. Von ein paar Ausnahmen abgesehen stellen wir fest, dass diese korrelieren. Was auch interessant ist, kurz vor der Finanzkrise 2007 liehen sich die Firmen am meisten Geld. Dort war der Zins allerdings am größten – er wurde von gerade einmal 1% im Jahr 2004 auf 5,25% im Jahr 2007 und 2008 angehoben. Darauf kommen wir später noch einmal zurück.
Blicken wir in die Gegenwart sehen wir, dass die schuldenfinanzierten Aktienrückkäufe – anteilig an der Gesamtzahl an Aktienrückkäufen auf den niedrigsten Stand seit 2009 gefallen sind.
Quelle: JPMorgan
Zusätzlich zu den Aktienrückkäufen wird auch der Unternehmensverschuldung eine Menge Aufmerksamkeit geschenkt. Warum? Weil diese ein Allzeithoch nicht nur in absoluten Zahlen sondern auch in Relation zum BIP erreicht haben.
Quelle: Moody’s Analytics
Wir können das anhand der ersten Linie sehen, die die Unternehmensverschuldung im Verhältnis zum BIP abbildet. Die zweite Linie hingegen, die Nettoverschuldung ( Schulden minus Rücklagen), hat noch kein Rekordhoch erreicht – trotz Steigung. Das kommt daher, dass die Firmen eine Menge Einnahmen generieren konnten:
Quelle: Goldman Sachs
Der obige Graph bildet das steigende Verhältnis von Cash zu Vermögenswerten bei Firmen außerhalb des Finanzsektors im S&P500 ab.
Da sich die Profitabilität eines Unternehmens besser dazu eignet um Unternehmen untereinander zu vergleichen macht es wahrscheinlich mehr Sinn, die Nettoverschuldung (anstatt der Verschuldung) mit dem Profit zu vergleichen anstatt dem BIP. Sehen wir es uns an:
Wie sich herausstellt befindet sich das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Profit trotz eines Anstiegs am unteren Ende der historischen Skala.
Grundsätzlich zeichnet sich ab, dass die Firmen trotz der größtenteils schuldenfinanzierten Aktienrückkaufprogramme genügend Rücklagen und Profite haben, um diese zu unterstützen. Nicht nur das – der Zinssatz den die Firmen für ihre Kredite zahlen ist niedrig, da wir uns seit geraumer Zeit in einem Niedrigzinsumfeld befinden.
1b. Die Rückkäufe gehen zulasten von Reinvestitionen
Eine weitere populäre Annahme ist, dass Rückkäufe zulasten neuer Investitionen einer Firma gehen. Wenn wir uns zum Beispiel die Summe der Rückkäufe zusammen mit den Dividenden die eine Firma ausschütten muss ansehen, sehen wir dass dieser Betrag im Verhältnis zu den Einnahmen fast 100% oder manchmal sogar mehr ausmacht:
Was bedeutet das? Das könnte bedeuten, dass die Firmen ihre gesamten Einnahmen für die Dividende und Aktienrückkäufe verwenden – oder sogar darüber hinaus. Wenn also 100% dafür verwendet werden, wo sind dann noch Mittel für Investitionen?
Zudem haben die Rückkäufe anteilig am CAPEX ( capital expenditures by the company – zu Deutsch die Investitionen eines Unternehmens) kürzlich stark zugelegt.
Quelle: Deloitte
Wenn wir uns die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die CAPEX im Verhältnis zum Umsatz ansehen, stellen wir fest, dass sich dieser Wert aktuell über dem historischen Durchschnitt befindet.
Quelle: Goldman Sachs
Ein interessanter Zusatz ist außerdem die Aufschlüsselung der Gesamtausgaben. Verglichen werden die Ausgaben, die für den Wachstum benötigt werden ( CAPEX + Forschung und Entwicklung + Zusammenschließungen und Akquisitionen) mit den Ausgaben für die Aktionäre. Dort sehen wir, dass die Wachstumsausgaben mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben ausmachen, historisch wie auch heute:
Quelle: Goldman Sachs
1990-2000 war das Verhältnis zwischen Investitionen und Ausgaben für die Aktionäre eher 2:1 – heute ähnelt es eher 1:1.
Was also bedeutet all das? Zunächst einmal bestimmen die Aktienrückkäufe nicht die Ausgaben eines Unternehmens, da diese genau so viel investieren wie sie für nötig halten. Sie ergreifen jede profitable Investmentchance die sie können und stehen dank des aktuellen Wirtschaftsumfelds gut da. Da die Zinsen niedrig sind, Rücklagen vorhanden sind und die Profitabilität hoch ist, können es sich Firmen leisten, Geld zu leihen und all ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Die einzige Frage ist nur, wie nachhaltig sind diese Gewinne und wie würden sich Firmen in einer Wende verhalten? Was, wenn diese gerade jetzt passiert? Wenn die FED entscheidet langfristig die Zinsen zu senken, sehen wir eine solche Wende wahrscheinlich erst einmal nicht.
2. Interessante Erklärungsansätze
Nachdem wir uns ein paar populäre Annahmen über die Auswirkungen von Aktienrückkäufen angesehen haben, wollen wir uns einigen interessanten Erklärungen widmen, warum diese gesteigerten Rückkäufe gerade jetzt geschehen.
2a. Aktienrückkäufe als Profit für Führungskräfte und Insider
Eine interessante Perspektive auf die Rückkäufe bietet der Blick auf Führungskräfte. Diese ziehen normalerweise erheblichen Profit aus solchen Unterfangen. Zum einen, wie bereits erwähnt, ist der Verdienst von Führungskräften und Mitarbeitern oft eng an den Gewinn pro einzelner Aktie oder den Aktienpreis geknüpft. Das kann in Form von Cash, Aktien oder Aktienoptionen sein. In welcher Form auch immer liegt es im direkten Interesse dieser Personen, Aktienrückkäufe durchzuführen da unmittelbar nach deren Ankündigung der Aktienpreis steigt. Nicht nur das, wie der Komissar Robert J. Jackson Jr. herausgefunden hat, verkaufen Insider ihre Aktien oft kurz nach Bekanntgabe eines Rückkaufprogramms:
Quelle: SEC
In seinen eigenen Worten: „Durchschnittlich tauschen Führungskräfte in den Tagen vor der Ankündigung sehr wenige Aktien ein – im Wert weniger als 100.000$. In den darauffolgenden 8 Tagen jedoch verkaufen Führungskräfte im Durchschnitt mehr als 500.000$ an Aktien pro Tag – ein fünffacher Anstieg. Führungskräfte ziehen also persönlich den Profit aus dem kurzfristigen Preisanstieg, der durch die Ankündigung eines Aktienrückkaufprogramms erzeugt wird.“.
Das mag eine plausible Erklärung dafür sein, warum Unternehmen verstärkt Aktienrückkäufe durchführen.
2b. Rückkäufe als Kompensation von Aktienverwässerung
Eine weitere interessante Erklärung für den Anstieg von Rückkäufen wird von Yardeni Research zur Verfügung gestellt. Diese behaupten, dass das zurückzuführen ist auf die gestiegene Profitabilität der Firmen. Denn wenn diese wächst, wächst auch der Aktienpreis und die Vergütung der Mitarbeiter. Als Ergebnis erhöhen die Firmen den Anteil der Lohnausschüttung in Aktien für ihre Mitarbeiter. Diese kommen dann aber zur absoluten Anzahl an Aktien hinzu, sodass um gegenzusteuern die eigenen Aktien zurückgekauft werden. Auch der Gewinn pro Aktie wird so nicht verwässert. Der folgende Chart könnte einen kleinen Ausblick in die Zukunft geben:
Quelle: Yardeni Research
Die grüne Linie spiegelt die Brutto-anzahl der ausgegebenen Aktien wider, also wie viele Aktien von den Firmen ausgegeben werden. Die blaue Linie zeigt die Rückkäufe. Die rote Linie zeigt die Netto-Anzahl der ausgegebenen Aktien bzw. die Netto-Anzahl der zurückgekauften Aktien, welche der Bruttoanzahl an zurückgekauften Aktien entspricht (positiv) plus brutto Rückkäufe (negativ). Was deutlich wird ist, dass die Netto-Ausgabe an Aktien trotz Volatilität steigt (die Skala ist negativ). Zeitgleich mit den Rückkäufen. Das bedeutet, dass mehr und mehr Aktien ausgegeben werden und damit auch zurückgekauft. Das könnte einen Teil der Rückkauf-Thematik erklären.
Diskussion
Wir haben eine Menge darüber gesprochen, warum Aktienrückkäufe zunehmen und sind auch auf populäre Annahmen zu den Rückkäufen zu sprechen gekommen. Was aber bedeuten diese für Investoren und Trader?
Gehen wir zunächst auf die Korrelation zwischen dem S&P500 und den Rückkäufen zurück:
Quelle: Credit Suisse
Das ist ein ähnlicher Chart wie der zu Beginn des Artikels, aber sehen wir einmal genau hin. Wie der Titel der Grafik vernehmen lässt, sind die Rückkäufe am größten wenn der Aktienpreis am niedrigsten ist. Nun, was genau bedeutet das? Wenn Du denkst, dass ein Aktienrückkaufprogramm signalisiert, dass eine Firma günstig ist, denke noch einmal nach. Die meisten Rückkäufe geschahen, als der S&P500 auf Rekordhöhen war. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass Unternehmen entweder nicht wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist um ihre Aktien zu kaufen sodass sie ausgeliehenes Geld verschwenden während Zinsen hoch sind oder aber, dass sie einfach unbeeindruckt dessen handeln und Insider mit den Rückkäufen Geld verdienen.
Wir haben auch darüber gesprochen, dass Firmen mehr für Aktienrückkäufe und Dividenden ausgeben, als sie einnehmen. Sehen wir uns einmal ein Diagramm an, das ähnlich zu dem ist, das wir aus diesem Artikel bereits kennen:
Quelle: Yardeni Research
Dieser zeigt die Aktienrückkäufe und Dividenden zusammen als Prozentsatz vom operativen Umsatz – historisch gesehen. Die gelbe Linie markiert das Hoch des S&P500 2007, vor der Wirtschaftskrise. Aktuell sind wir wieder auf diesem Level, was zwar beunruhigend scheint – die FED kann aber jederzeit weiter antreiben indem sie die Zinsen senkt.
Zusammenfassung
Wir haben versucht auf das große Bild bei den Aktienrückkäufen zu blicken und die Puzzleteile zusammenzusetzen. Obwohl es noch viele Unklarheiten und Wissenslücken gibt, steht fest, dass Firmen in der Vergangenheit kein guter Indikator dafür waren wann Aktienpreise hoch oder tief sind. Dies mag nicht meine beste Abrundung sein, ich hoffe aber, dass dieser Artikel zum Nachdenken über Aktienrückkäufe und deren Bedeutung für den Markt anregt.